Verkanntes Zimmergrün - Pflanzen von ethnobotanischem Interesse

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Zebra
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Verkanntes Zimmergrün - Pflanzen von ethnobotanischem Interesse

Beitrag von Zebra »

Manchmal wenn ich so dies oder das lese über Pflanzen etc., kommen mir auch Zimmerpflanzen unter, die interessant sind.
Zimmerpflanzen, die hier bei uns meist unerkannt stehen, die man nicht beachtet, aber interessante kulturelle oder auch pharmakologische Bedeutung aufweisen.
Bin mir sicher jeder hier kennt solches exotisches Zimmergrün.... mir kommt dabei zum Beispiel der Coleus in den Sinn.
Genau darum handelt dieser Thread.

Eine Pflanze über die ich letztens gestolpert bin ist Hemigraphis alternata (Noppenblatt).


Noppenblatt (Red Flame Ivy, Purple Waffle Plant)

Hemigraphis alternata (syn. Hemigraphis colorata) ist eine kriechende Pflanze aus der Familie der Acanthaceae, die unter anderem in Indonesien und Malaysien vorkommt, aber auch in anderen Ländern verbreitet ist und nicht nur als Zierpflanze genutzt wird.
In der Dominikanischen Republik, auf Hawaii, Fiji, Chagos, Reunion, den Cook Inseln, Samoa, Französisch Polynesien, Palau und Tonga ist diese Pflanze als invasiv gelistet.
Hemigraphis alternata konnte sich dort in Wildgebiete verbreiten, wo sie als Bodendecker die einheimische Vegetation verdrängt.
Verbreitet ist die Pflanze mittlerweile in Afrika, Asien, Nordamerika, Ozeanien und Südamerika.

Bei uns wird Hemigraphis alternata als Zierpflanze gehalten, und ist im Aquaristikbedarf meist als Pflanze fürs Aquarium oder als Terrarienpflanze zu haben, obwohl man sie auch an normale Raumluftfeuchtigkeit gewöhnen kann.

Traditioneller Gebrauch:

In Indonesien gilt die Pflanze als adstringierend und als Mittel gegen Durchfall.
Sie wird dort auch als Behandlung gegen Ruhr, gegen Nierensteine und bei Hautkrankheiten und Wunden genutzt.
In Papua Neu Guinea wird ein Extrakt aus den Blättern der Pflanze als Verhütungsmittel eingenommen.
In Vanuatu gelten Blattknospen als Verhütungsmittel.
Auch werden bei der Behandlung von Nierenminderfunktionen, Hämorrhiden und bei exzessiven Blutungen nach der Geburt die Blätter von Hemigraphis alternata verwendet.
In Kerala, Indien wird der aus den Blättern gepresste Pflanzensaft auf Wunden aufgetragen, um die Blutung zu stoppen.
Innerlich wird der Saft auch gegen Anämie angewandt.
Auch werden die Blätter bei Gallensteinen verwendet und sollen zur Besserung bei exzessiver Menstruation beitragen.

Pharmakologie

In Hemigraphis alternata wurden folgende Phytokonstituenten gefunden:
Phenole, Saponine, Flavonoide, Terpenoide, Coumarine, Kohlenhydrate, Carboxylsäure, Xanthoproteine, Tannine, Proteine, Alkaloide, Steroide und Sterol.

In Studien wurden anti-entzündliche, anti-bakterielle, anti-diabetische und wundheilende sowie schmerzlindernde Wirkungen und Wirkungen gegen Durchfall festgestellt.
In einer Studie wurde eine eindeutig antinociceptive Wirkung von Hemigraphis alternata Extrakten bei Mäusen bestätigt.
Man geht davon aus, dass dieser Wirkung womöglich ein Stoff zugrunde liegen könnte, der ein zentral agierender schmerzlindernder Wirkstoff ist.

Ich möchte noch festhalten, dass dies nicht als Anschubser gedacht ist diese Pflanze zu konsumieren!
Es geht darum zu informieren über das Potential von Pflanzen, welche oft nicht wertgeschätzt und übersehen werden.

Zum Abschluss... so sieht die Pflanze aus:





Quellen:

https://www.cabi.org/isc/datasheet/121880
https://www.globinmed.com/index.php?opt ... Itemid=139
und siehe Anhang:
Rahman2019_Article_Anti-inflammatoryAntinocicepti.pdf
review pharmacological activity.pdf
biological effects.pdf
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Zebra
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Re: Verkanntes Zimmergrün - Pflanzen von ethnobotanischem Interesse

Beitrag von Zebra »

Es gibt hier schon einen Plectranthus Thread (https://www.entheobotanik.net/viewtopic.php?f=2&t=1670) möchte hier aber mehr Raum einräumen für diese supertollen und interessanten Pflanzen.

Plectranthus

Plectranthus (Harfensträucher) ist eine Pflanzengattung die sowohl gärtnerisch als auch medizinisch an vielen Orten der Welt genutzt wird.
Die Gattung gehört zum Tribus Ocimae, in den Subtribus Plectranthinae und umfasst in etwa 450 Arten, wovon einige ethnobotanisch interessant sind.
Obwohl einige Coleus- und Solenostemon-Arten in die Gattung Plectranthus integriert wurden, werden diese Bezeichnungen in der Literatur verwirrenderweise teils noch immer genutzt.
Man könnte wahrscheinlich ein ganzes Buch über Plectranthus schreiben, hier werden nur einige wenige Arten erwähnt.

Einige Vertreter dieser Gattung sind zum Beispiel Coleus blumei (Solenostemon scutellaroides [Es scheint Bestrebungen gegeben zu haben Solenostemon und Coleus Arten in Plectranthus einzugliedern, jedoch scheint das in der Literatur nicht besonders anerkannt zu sein]), welcher bei uns als Blattschmuckpflanze zu finden ist und bei den Mazateken als Salvia divinorum Ersatz Verwendung fand.
Oder auch die als Balkonpflanze bekannte Weihrauchpflanze (Plectranthus coleoides), welche einen weihrauchartigen Duft verströmt oder auch das Australische Zitronenblatt (vermutlich eine Unterart von Plectranthus bellus), aus dessen aromatischen Blättern man einen Tee zubereiten oder auch zum Backen verwenden kann.

Lukhoba et al. (2006) konnten 62 Arten von Plectranthus, welche medizinisch verwendet werden, ausmachen - die meisten davon aus Afrika, Asien, Indien, etc.
Alle diese Arten näher zu beschreiben würde vermutlich den Rahmen sprengen.


Eine dieser wunderbaren Arten ist Plectranthus hadiensis, welcher im tropischen Afrika bis hin nach Indien beheimatet ist, wo es in der Ayurveda-Medizin Anwendung findet.
Es kommt dort bei Beschwerden und Störungen im Verdauungssystem wie Durchfall, Erbrechen, und akute und chronische Überlastung der Leber zum Einsatz.
In Sri Lanka ist diese Pflanze unter dem Namen Iruveriya bekannt - der Saft der Stengel und die Blätter werden mit Honig gemischt gegen Durchfall eingenommen.
Eine phytochemische Analyse eines wässrigen Extrakts zeigte Flavonoide, Alkaloide, Phenole, Tannine, Proteine, Kohlenhydrate, Saponine, Glycoside und Herzglykoside.

plectranth.jpg
Plectranthus hadiensis var. tomentosa aus Sri Lanka

Die Pflanze ist sehr aromatisch und besitzt einen superfreshen limettenartigen Duft, wenn man die Blätter/Stengel berührt.
Einfach genial :D .


Eine weitere spannende Plectranthus-Art ist Plectranthus barbatus (false Boldo).
Diese Pflanze hat eine grosse Bandbreite an Nutzung in der Ayurveda-Medizin, aber auch in der Volksmedizin Brasiliens, dem tropischen Afrika und China.
Die Hauptanwendungsgebiet sind Störungen des Darms und Leberermüdung, Störungen der Atemwege und bestimmte Störungen des Nervensystems.
Forskolin ist einer der Hauptkonstituenten und ist in einer Anzahl verschiedener pharmazeutischer Zubereitungen zu finden.
Forskolin ist schwer wasserlöslich, trotzdem sollte man von einer Einnahme von Pflanzenteilen als Tee absehen, nimmt man Medikamente gegen Herzerkrankungen oder Blutdruckmedikamente.
Generell sollte Vorsicht gelten.
Die Nutzung von Plectranthus barbatus erstreckt sich aber im Allgemeinen von dekorativ, kulinarisch bis hin zu medizinisch.
So wird zum Beispiel diese Pflanze in Ost-Afrika und Indien gegen Fieber angewandt.
In Uganda wird die Pflanze genutzt als Heilmittel gegen spirituelle Krankheiten und in Indien, Gabon und Kenya bei Schlangenbissen.
Die gekochten Blätter gelten in Kenya und Yemen als Gemüse.

Plectranthus_barbatus.jpg
Plectranthus barbatus (Foto: WikiMedia Commons)

Soll auch aromatisch sein. :good:


Ein weiteres hierzulande bekanntes aromatisches Zimmergrün mit medizinischen Eigenschaften ist Jamaica-Thymian (Plectranthus amboinicus).
Medizinisch genutzt wird diese Pflanze in Barbados, Kambodscha, China, Kuba, Fidschi, Guyana, Indien, Indonesien, Malaysien, Philippinen, Puerto Rico, Süd Afrika, Thailand, Vietnam und in der Karibik sowie beispielsweise in Deutschland und den USA als Gartenschmuck oder in der Küche.
Plectranthus amboinicus enthält Monoterpenoide, Diterpenoide, Triterpenoide, Sesquiterpenoide, Phenole, Flavonoide und Ester.
Das ätherische Öl enthält hauptsächlich Carvacrol und Thymol, wobei das ätherische Öl des Jamaica-Thymians insgesamt 76 flüchtige Bestandteile enthält.
In der Volksmedizin wird Plectranthus amboinicus oft bei Schnupfen, Asthma, Verstopfung, Kopfschmerzen, Husten, Fieber und Hautkrankheiten angewandt.

Plectranthus_amboinicus.jpg
Plectranthus amboinicus (Foto: WikiMedia Commons)

Der Duft bzw. das Aroma soll unserem Thymian gleichen, man sagt dem Jamaica-Thymian eine befreiende Wirkung auf Atemwege und bei Husten nach.
Supertolle Pflanze, muss ich auch haben.


Über Plectranthus cremnus ist nicht viel bekannt und er wird hier auch nicht als Zierpflanze gezogen.
Diese Art wurde von Barry Conn erst 1992 entdeckt.
Plectranthus cremnus soll einen sukkulenten-artigen Wuchs haben und als ebenfalls aromatische Pflanze soll er einen geranienartigen Duft besitzen.
Die Pflanze scheint nur an wenigen Orten in New South Wales, Australien zu wachsen.

cremnus2.jpg
Plectranthus cremnus (Foto: ebayseller desert-plants)

cremnus3.jpg
Plectranthus cremnus (Foto: ebayseller desert-plants)

cremnus31.01.2021.jpg
Plectranthus cremnus


Ich mache hier mal Schluss, sonst wird es vielleicht endlos. :angel:



Quellen:

- Arumugam, Greetha; Mallappa Kumara Swamy and Uma Rani Sinniah. (2016). Plectranthus amboinicus (Lour.) Spreng: Botanical, Phytochemical, Pharmacological and Nutritional Significance. In: Molecules 2016, 21, 369.

- Conn, Barry J. (1992). New Species of Plectranthus and Westringia (Labiatae) from New South Wales. In: TELOPEA Journal of Plant Systematics, Vol. 4(4): 1992.

- Lukhoba, Catherine W.; Monique S.J. Simmonds,∗, Alan J. Paton. (2006). Plectranthus: A review of ethnobotanical uses. In: Journal of Ethnopharmacology 103 (2006) 1–24.

- MENON, DARSAN B; J. M. SASIKUMAR. (2011). PHARMACOGNOSTIC STUDY AND PHYTOCHEMICAL INVESTIGATION OF PLECTRANTHUS HADIENSIS. In: International Journal of Pharmacy and Pharmaceutical Sciences, ISSN- 0975-1491, Vol 3, Suppl 5, 2011.

- Muthukumarana, R.; R.M. Dharmadasa. (2014). Pharmacognostical investigation of Plectranthus hadiensis (Forssk.) Schweinf. ex Sprenger. and Plectranthus amboinicus (Lour.) Spreng. In: World Journal of Agricultural Research, 2014, Vol. 2, No. 5, 240-246.

- Paton, Alan J.; Montfort Mwanyambo, Rafaël H.A. Govaerts1, Kokkaraniyil Smitha, Somran Suddee, Peter B. Phillipson, Trevor C. Wilson6, Paul I. Forster, Alastair Culham. (2019). Nomenclatural changes in Coleus and Plectranthus (Lamiaceae): a tale of more than two genera. In: PhytoKeys 129: 1–158
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m.speciosa
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Re: Verkanntes Zimmergrün - Pflanzen von ethnobotanischem Interesse

Beitrag von m.speciosa »

Ich mache hier mal Schluss, sonst wird es vielleicht endlos. :angel:
Nicht aufhören!!!
Immer weiter

Sehr interessant

Du hast das var. Tomentosa bei dem hadiensis aus sri lanka vergessen.

Es gibt noch einige andere die unter hadiensis geführt werden.

Fast alle sind super dankbar haus Pflanzen. Einfacher als trichos.

Auch hat sich die Nomenklatur geändert.
Ich suche mal das passende pdf dazu raus

Diese jahr sahen ich die ersten Eigenenen hybriden aus.

Zum schluss noch eines.

Wer auch immer tauschen will ich habe sehr viele spannende harvensträucher und suche immer mehr für die Sammlung ;-)
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Zebra
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Re: Verkanntes Zimmergrün - Pflanzen von ethnobotanischem Interesse

Beitrag von Zebra »

Man könnte ja auch eine mehrteilige "Geschichte" daraus machen. :mrgreen:

Das "var. tomentosa" wurde ergänzt, danke für den Hinweis!

Fast alle sind super dankbar haus Pflanzen
Dem kann ich beipflichten, der P. hadiensis var. tomentosa ist einfach und kann auch viel mitmachen.

Auch hat sich die Nomenklatur geändert.
Falls du etwas aktuelles zur Nomenklatur hast, ja bitte.
Falls es "Nomenclatural changes in Coleus and Plectranthus" (2019) ist... das ist das Paper, dass ich einigermassen undurchsichtig empfand...
Übrigens auch vergessen unter Quellen einzutragen: nachgeholt.

Diese jahr sahen ich die ersten Eigenenen hybriden aus.
Glückwunsch! :Hände Klatschen:
Hoffe du berichtest weiter!
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Myzzzel
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Registriert: 20. Okt 2020, 13:38

Re: Verkanntes Zimmergrün - Pflanzen von ethnobotanischem Interesse

Beitrag von Myzzzel »

Laut Wikipedia ist der aktuelle Name 'Solenostemon'.
https://de.wikipedia.org/wiki/Buntnessel

Schöner Thread :good:
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Zebra
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Re: Verkanntes Zimmergrün - Pflanzen von ethnobotanischem Interesse

Beitrag von Zebra »

Danke, habe dem den Text angepasst.
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