Biebersteinia spp. und med. bedeutsame Flavonoide

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Zebra
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Biebersteinia spp. und med. bedeutsame Flavonoide

Beitrag von Zebra »

Hier folgt ein sehr langer Text, deshalb hier ein Überblick, worum es in dem Text geht:

- Allgemeines zur Gattung Biebersteinia
- Vorstellung der einzelnen Biebersteinia Arten
- Biebersteinia heterostemon und Flavonoide die an Benzodiazepin-Bindestellen wirken
- Biebersteinia multifida und ethnomedizinische Verwendung
- Zucht
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Zebra
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Re: Biebersteinia spp. und med. bedeutsame Flavonoide

Beitrag von Zebra »

BIEBERSTEINIA


BOTANIK UND ETHNOMEDIZIN

Biebersteinia ist die einzige Gattung in der Familie der Biebersteiniaceae und umfasst nur 4 Arten, nämlich

- B. heterostemon,
- B. multifida,
- B. odora und
- B. orphanidis.

Die Gattung wurde nach dem deutschen Botaniker Friedrich August Freiherr Marschall von Bieberstein benannt.
Früher inkludierte die Gattung 5 Arten, jedoch gilt B. leiosepala heute als Synonym für B. multifida.
Auch an anderen Orten ist angegeben, dass Biebersteinia insgesamt 5 Arten enthält, forscht man aber etwas genauer nach, stellt sich heraus, dass auch diese heute wohl nur als Synonyme der 4 anderen Arten gelten.

Alle Biebersteinia Arten sind mehrjährige krautige Pflanzen und ihre geografische Verteilung erstreckt sich von Griechenland bis hin zu Süd-West-Sibirien und West- und Zentral-China.(http://www.plantsoftheworldonline.org/t ... es:16784-1)

Biebersteinia heterostemon („Xun Dao Niu“ in China) kommt auf der Qinghai-Tibet-Hochebene vor und ist dort auch in der Traditionellen Tibetischen Medizin bekannt.
Diese Art bewohnt trockene und halb-trockene gebirgige Wüsten, felsige Hänge und andere Umgebungen.

Biebersteinia multifida ist eine Pflanze, die in der Volksmedizin im Iran allgemein als „Adamak“ bekannt ist.

Biebersteinia odora ist in Zentral-Asien zu finden (z.B.: Kazakhstan, Kyrgyztan, Pakistan, China, Mongolei) und wächst dort auf Almwiesen und in trockenen, felsigen und geröll-lastigen Gegenden.
Biebersteinia odora scheint lange gegen Fieber und Migraine von Menschen in der Shigar Valley (Pakistan) genutzt worden zu sein (vgl. Zhang et al. 2020: 12).

Biebersteinia orphanidis ist die einzige Art, die in Europa bzw. in Griechenland vorkommt – sie wächst gewöhnlicherweise in höheren Regionen.
Biebersteinia orphanidis galt lang in ihrem natürlichen Habitat in Europa (Griechenland) als ausgestorben.
Diese Art wurde vom griechischen Botaniker Theodoros Georgios Orphanides 1851 erstmals beschrieben, welcher diese Biebersteinia Art am Mt. Killini entdeckte.
Nachfolgende Forscher suchten diese Art vergebens, sie galt somit als ausgestorben. Erst 1994 wurde sie auf einem Berg nahe des Mt. Killini in Griechenland wiedernentdeckt (vgl. Yannitsaros et al. 1996: 239f).

Von diesen 4 Arten haben Biebersteinia heterostemon und Biebersteinia multifida eine lange Geschichte als Volksmedizin im Iran (B. multifida) und in Tibet (B. heterostemon).
Sie besitzen verschiedene ethnomedizinische Eigenschaften, beispielsweise gelten sie als schmerzlindernd, krampflösend, entzündungshemmend und anti-mikrobiell, angstlösend, blutdrucksenkend etc. (vgl. Zhang et al. 2020: 2)


BIEBERSTEINIA HETEROSTEMON UND MEDIZINISCH BEDEUTSAME FLAVONOIDE

Biebersteinia heterostemon wurde in der Traditionellen Tibetischen Medizin gegen Krankheiten des Herz-Lungen-Systems und bei neuropsychiatrischen Krankheiten angewandt.

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Biebersteinia heterostemon (Foto: http://blog.sciencenet.cn/blog-3319332-1241422.html)

γ-Aminobutyric acid type A (GABA-A) Rezeptoren gehören mitunter zu den wichtigsten Rezeptoren im Zentralen Nervensystem und sind Hauptziele von Substanzen, die zur Behandlung von verschiedenen Krankheiten zu denen beispielsweise Krämpfe, Angstzustände, Schlaflosigkeit etc. zählen, dienen.
Es ist bekannt, dass Benzodiazepin-Bindungsstellen, welche sich am GABA-A Rezeptor befinden ziemlich gut erforscht sind.
Benzodiazepine kommen als Antikonvulsiva, Anxiolytika und Sedativa bzw. Hypnotika in der klinischen Behandlung zum Einsatz.

In letzter Zeit haben Flavonoide (enthalten normalerweise zum Beispiel in grünem Tee oder in einigen Obstarten, etc.) und deren Wirkung auf das Zentralnervensystem viel Aufmerksamkeit erlangt.
Einige Flavonoide zeigten antikonvulsive und anxiolytische Wirkungen, jedoch ohne die sedativen und muskelrelaxierenden Effekte.
Von daher scheinen Flavonoide interessante Verbindungen und eine mögliche Alternative für Benzodiazepine in Bezug auf die Suche und Entwicklung von Wirkstoffen mit antikonvulsiver (krampflösender) oder anxiolytischer (angstlösender) Wirkung zu sein (vgl. Liu et al.2018: 1f).

6 Flavonoide wurden für eine Studie aus Biebersteinia heterostemon isoliert und ihre Wirkung am GABA-A Rezeptor Komplex untersucht.
Zu den Flavonen, die die stärkste Affinität zur Benzodiazepin-Bindungsstelle des GABA-A Rezeptor Komplexes aufwiesen, zählten:

- Demethoxysudachitin (DMS)
- Isothymusin
- 2‘, 4‘, 5, 7-tetrahydroxy-5‘, 6-dimethoxyflavon (DMF)
- 2‘, 4‘, 5, 8-tetrahydroxy-5‘, 6, 7-trimethoxyflavon

DMF wies knapp gefolgt von DMS die höchste Affinität zur Benzodiazpin-Bindungsstelle auf (vgl. Liu et al. 2020: 8)
Nach der Verabreichung von DMF (krampflösend) bzw. DMS (angstlösend) wurde keine signifikante Muskelentspannung oder Sedierung beobachtet.
Es wurde festgestellt, dass die angstlösende Wirkung von DMS bzw. die krampflösende Wirkung von DMF mit Flumazenil (blockiert die Wirkung von Benzodiazepinen) rückgängig gemacht werden konnte, woraus Liu et al. (2018) schliessen, dass beim Wirkmechanismus vom DMF bzw. DMS Benzodiazpin-Bindestellen involviert sind (vgl. Liu et al. 2020: 12).

Der Mangel an Nebenwirkungen dieser Flavonoide kann eventuell dem zugerechnet werden, dass sie an Bindungsstellen der GABA-A Rezeptoren binden, die womöglich von den klassischen Benzodiazepin-Bindestellen unabhängig sind, oder dass sie eventuell an noch unerforschten Bindungsstellen wirken (vgl. Liu et al. 2020: 3).

BIEBERSTEINIA MULTIFIDA, EINE ETHNOMEDIZINISCH INTERESSANTE PFLANZE

Biebersteinia multifida ist eine Pflanze, die im Iran als „Adamak“ bekannt ist.
Die knollenartigen Wurzeln dieser Pflanze wurden in der westlichen Region des Iran in der Volksmedizin oberflächlich für die Behandlung von Entzündungen und Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems angewandt.
Innerlich kamen Pflanzenteile bei der Behandlung von mehrfachem nächtlichen Harndrang bei Kindern und bei Phobien und Angstzuständen zum Einsatz (vgl. Monsef-Esfahani et al. 2013: 1; Farsam et al. 2000: 443).

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Biebersteinia multifida (Foto: https://www.inaturalist.org/taxa/887330 ... wse_photos)

Forscher isolierten aus dem Extrakt der Wurzel 3 Verbindungen, die sie für die angstlösende Wirkung verantwortlich machten.
Zu diesen Coumarin-Derivaten zählen Umbelliferon, Scopoletin und Ferulasäure (vgl. Monsef-Esfahani et al. 2013: 6).
Sie erwähnen zwar, dass auch Flavonoide in Biebersteinia multifida gefunden wurden, lassen diese aber bei ihrer Studie ausser Acht.

Greenham et al. (2001) gehen davon aus, dass das Muster der Flavonoid-Produktion in der Gattung Biebersteinia ähnlich sein könnte: „Related work on B. heterostemon […] and our own preliminary investigation on the flavonoids of B. odora suggest, that this pattern of flavonoid production is common throughout this small genus.“ (Greenham et al. 2001: 90).

Der Wirkmechanismus, der der angstlösenden Wirkung von B. multifida Wurzelextrakt zugrunde liegt, ist nicht vollständig bekannt.
Man vermutet unter anderem, die Coumarin-Derivate könnten mit der Benzodiazepin-Bindungsstelle interagieren (vgl. Monsef-Esfahani et al.2013:7).

Darüber hinaus soll Biebersteinia multifida schmerzlindernde, anti-mutagene und gastroprotektive Eigenschaften besitzen. (vgl. Dabaghian et al. 2014; Raeesi et al. 2018).

ZUCHT

Über die Zucht als Hauspflanze ist anscheinend nichts bekannt.
Womöglich eignet sie sich gar nicht dafür, sie scheint in höheren Lagen und geröll-lastigen, steinigen Gegenden zu wachsen.
Samen oder gar Pflanzen von Biebersteinia heterostemon waren (zumindest im Netz) nicht aufzutreiben.
Einige Arten gelten als bedroht.
Ich konnte aber Samen von Biebersteinia multifida finden (NOVÁ ZAHRADA nursery).

Vielleicht erlangen diese Pflanzen in Zukunft mehr Aufmerksamkeit und sind dann vielleicht leichter zu erhalten.



Quellen:

- Dabaghian, Fataneh Hashem; Maliheh Entezari, Ali Ghobadi and Mehrdad Hashemi. (2014). Antimutagenicity and Anticancer Effects of Biebersteinia multifida DC. In: Annual Research & Review in Biology
4(6): 906-913

- Farsam, Hassan; Massoud Amanlou, Ahmad Reza Dehpour, Fereshteh Jahaniani. (2000). Anti-inflammatory and analgesic activity of Biebersteinia multifida DC. root extract. In: Journal of Ethnopharmacology 71 (2000) 443–447

- Greenham, Jenny; Dionyssios D. Vassiliades, Jerey B. Harborne, Christine A. Williams, John Eagles, ReneÂe J. Grayer, Nigel C. Veitch. (2001). A distinctive Flavonoid chemistry for the anomalous genus Biebersteinia. In: Phytochemistry 56 (2001) 87±91

- Liu, Zenggen; A. Kerstin Lindemeyer, Jing Liang, Martin Wallnerc, Xuesi M. Shaoe, Yun Shaoa, Yanduo Taoa,b, Richard W. Olsen. (2018). Flavonoids isolated from Tibetan medicines, binding to GABAA receptor and the anticonvulsant activity. In: Phytomedicine 50 (2018) 1–7

- Liu, Zenggen; Joshua Silva, Amy S. Shao, Jing Liang, Martin Wallner, Xuesi M. Shao, Mingzhu Li, Richard W. Olsen. (2020). Flavonoid compounds isolated from Tibetan herbs, binding to GABAA receptor with
anxiolytic property. In: Journal of Ethnopharmacology

- Mahdi Raeesi, Narges Eskandari-Roozbahani, Tahoora Shomali. (2019). Gastro-protective effect of Biebersteinia multifida root hydro-methanolic extract in rats with ethanol-induced peptic ulcer. In: Avicenna J Phytomed, 2019; 9(5): 410-418

- Monsef-Esfahani, Hamid Reza et al. (2013). Coumarin compounds of Biebersteinia multifida roots show potential anxiolytic effects in mice. In: DARU Journal of Pharmaceutical Sciences 2013, 21:51

- YANNITSAROS, ARTEMIOS G.; THEOPHANIS A. CONSTANTINIDIS. (1996). The rediscovery of Biebersteinia orphanidis Boiss. (Geraniaceae) in Greece. In: BotanicalJournal of the Linnean Society (1996), 120: 239-242

- Zhang, Benyin; Xiaona Jin, Hengxia Yin, Dejun Zhang, Huakun Zhou, Xiaofeng Zhang and Lam-Son Phan Tran. (2020). Natural Products, Traditional Uses and Pharmacological Activities of the Genus Biebersteinia (Biebersteiniaceae). In: Plants 2020, 9, 595
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Zebra
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Re: Biebersteinia spp. und med. bedeutsame Flavonoide

Beitrag von Zebra »

Biebersteinia multifida Seeds.
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Zebra
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Re: Biebersteinia spp. und med. bedeutsame Flavonoide

Beitrag von Zebra »

Inneres eines zur Keimung in Kokohum platzierten Samens.
Eine Gruppe wurde mit 24h mit GA3 Lösung behandelt, die andere 24h mit 1% H2O2 Lösung.
Sieht einigermassen gesund aus, ich hoffe das wird noch.

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Kleinkind
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Re: Biebersteinia spp. und med. bedeutsame Flavonoide

Beitrag von Kleinkind »

Sehr interessant.
Wirst du selber Versuche damit machen?
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Zebra
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Re: Biebersteinia spp. und med. bedeutsame Flavonoide

Beitrag von Zebra »

Nein, ich halte meine Pflanzen aus Liebhaberei zum Sammeln ethnobotanischer Raritäten.
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