Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

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Glückspilz
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Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

Beitrag von Glückspilz »

Ich hab bereits an mehreren Stellen hier im Forum was geschrieben zur Integration von psychedelischen Reisen und ich fasse hier mal einiges zusammen und mache einen eigenen Thread draus. Ich möchte gerne meine eigenen Integrationstechniken vorstellen und von euch erfahren, wie ihr im Nachhinein mit euren Erfahrungen umgeht. Ich will ja auch weiter lernen! :-)

Manche Leute glauben, psychedelische Erfahrungen seien grundsätzlich nicht integrierbar. Die einzige Möglichkeit, da wieder ranzukommen, sei ein weiterer Trip. Das ist natürlich die beste Einstellung, um ein Druffi zu werden. Und interessanterweise, selbst Leute, die großen Wert legen auf eine saubere und sichere Tripbegleitung legen, legen erstaunlich wenig Wert auf eine gute Nachbereitung und Integration. So habe ich es zumindest in den Seminaren und Zeremonien erlebt, die ich hier im Forum ja schon beschrieben habe. Man kann in der Abschlussrunde erzählen, wie es einem auf dem Trip ergangen ist, man bekommt die Telefonnummer vom Seminarleiter, falls im Nachhinein noch irgendwelche Schwierigkeiten auftauchen, und das wars dann.

Gute Integration sieht anders aus.

Motivation
Es ist natürlich auch entscheidend, aus welcher Motivation heraus ich eine psychedelische Erfahrung mache. Will ich einfach nur eine gute Zeit haben und z.B. richtig geile Partys feiern? Dafür sind Psychedelika natürlich wunderbar geeignet. Und da braucht man auch keine großartige Integration. Aber es gibt auch Leute (wie mich z.B.) die Psychedelika nehmen zur Persönlichkeitsentfaltung, zum inneren Wachstum, um alte Knoten zu lösen, um sich „weiter zu entwickeln“, u.ä. Und in dem Fall ist die Frage der Integration die wichtigste überhaupt (neben Dosis und Setting natürlich.) ;-)

Mir persönlich geht es weniger darum, tolle Trips zu haben, sondern eine Brücke zu bilden zwischen dieser Weisheit, die man auf den Trips erlebt, und der Alltagswelt. Oder wie kk84 sagte: „Triperfahrungen besser ins Hier und Jetzt mitzunehmen.“ Eine Freundin von mir hat es mal genial formuliert: „Wichtiger als die Erfahrung ist die Integration der Erfahrung.“

Integrationstechniken
Also, wie geht das, wie kommt die Triperfahrung im Alltag an?
Hier eine Zusammenfassung, was ich mir inzwischen an Integrationstechniken erarbeitet habe:

Eine gelungene Integration hängt meiner Erfahrung nach vor allem von zwei Faktoren ab:
1) Erinnern und 2) Akzeptanz

Bei schönen Erfahrungen ist vor allem die Erinnerung wichtig, bei schwierigen Erfahrungen vor allem die Akzeptanz.

Das bezieht sich jetzt auf Medium-Dose-Trips, die einen in innere Seelenlandschaften geführt haben. Ich nenne diese Trips hier mal „Seelentrips“. Und dann gibt es noch die Far-Out-Trips, die einen in völlig unfassbare kosmische Bereiche geführt haben und die oft sehr mystisch sind. Ich nenne die hier mal „Weltraum-Trips“. Zu denen schreibe ich weiter unten was.

Erinnerung
Im Nachhinein sich so genau wie möglich daran erinnern, was man auf dem Trip erlebt hat. Erinnern auf den verschiedensten Ebenen und immer wieder, vor allem in den ersten 40 Tagen nach dem Trip. Er-innern, im Sinne von Ver-innerlichen. Um diese Erinnerung zu unterstützen, kenne ich vor allem zwei Techniken:
1) Bericht schreiben
2) Malen

Bericht schreiben
Für das Aufschreiben ist es am besten, so nah dran wie möglich. Es gibt beim klassischen Trip-Erleben den Moment des Touchdown, die Landung, wo man merkt, dass man wieder in der Alltagswelt angekommen ist, obwohl der Trip noch nicht völlig vorbei ist. Ich esse dann meistens etwas („Landungsessen“) und nehme mir dann meinen Block, um was aufzuschreiben. Manchmal schreibe ich auch während des Trips was auf. Das sind dann meistens nur einzelne hingekrakelte Stichwörter. Je nach Heftigkeit des Trips ist Schreiben manchmal auch gar nicht möglich. Das geht dann erst nach der Landung.

Also erste Notizen nach der Landung (und ansonsten den Nachklang genießen, das ist auch sehr wichtig.) Und am besten am nächsten Tag dann das Protokoll, so ausführlich wie möglich. (Manchmal schreibe ich auch gleich nach der Landung das ausführliche Protokoll.) Im Protokoll nicht nur die erlebten Bilder beschreiben, sondern vor allem auch die erlebten Gefühle so genau wie möglich erinnern und beschreiben.

Malen
Manchmal ist es schwierig, für das Erlebte Worte zu finden. Für den Fall liegen immer ein großer Malblock und Wachsmalstifte bereit. Pastellkreiden oder Aquarellfarben wären natürlich besser, um künstlerisch hochwertige Bilder zu machen, die mehr Aussagekraft haben. Aber wer schon mal den Farbstaub der Pastellkreiden oder die Farbkleckse von Aquarellfarben in der Wohnung hatte, der weiß, dass in so einer Situation direkt nach einer psychedelischen Erfahrung die Feinmotorik nicht so ausgeprägt ist, dass diese diffizilen Techniken beherrscht werden, ohne unerwünschte Farbspuren zu hinterlassen. Wenn man ein Atelier zur Verfügung hat und bereits wieder sicher auf den eigenen Beinen und vor einer Staffelei stehen kann, ist das natürlich was anderes. ;-)

Wachsmalstifte sind da meiner Erfahrung nach ein guter Kompromiss: man kann den Malblock einfach auf die Knie oder auf den Boden legen und bekommt mit den Wachsmalstiften ziemlich unkompliziert und ohne die Wohnung zu versauen was aufs Papier, was zumindest einen Eindruck vermittelt von dem Erlebnis. Das Ölgemälde oder das Aquarell kann man ja später malen. ;-)

Wichtig beim Malen: dem Bild einen Titel geben und das Datum dazu schreiben.

Keine Bewertung
Diese Nachklangphase nach der Landung, wenn die Substanzwirkung nachgelassen hat, aber noch im Nachklang spürbar ist, ist eine ganz wichtige Phase, weil jetzt das Ego, das Alltagsbewusstsein allmählich wieder in Aktion kommt, was während der Hauptwirkungszeit oft völlig ausgeschaltet ist. Diese Rückkehr des Ego, oder die Wiederkehr des Alltagsbewusstseins ist eine ganz sensible Phase, weil sich hier der Hyperraum und die Alltagswelt begegnen. Das Ego wundert sich an dieser Stelle oft: „Huch, was war das denn, was ich da gerade erlebt habe?“ Das Ego kann die erlebten Inhalte oft überhaupt nicht fassen, weil es ja weit über den normalen Alltagshorizont hinaus ging. Und oft kommt das Ego dann auch mit einer Bewertung daher: „So ein Scheiß“, „So ein Quatsch“, „Völlig daneben“, „Kann ja gar nicht sein“ oder auch „Wow, jetzt bin ich erleuchtet“, „Das war der absolute Durchbruch“, „Ich bin ein Meister des Lichts“ und ähnliches.

Wichtig an dieser Stelle ist, sich von jeglicher Beurteilung oder Bewertung fernzuhalten und das Erlebte so genau und so neutral wie möglich in Alltagssprache zu übersetzen. Diesen multidimensionalen Raum, den man während des Trips erlebt hat, in die eindimensionale Sprache der Alltagswelt zu übersetzen. Und das ist meistens richtig Arbeit, gar nicht so einfach. Aber diese Übersetzungs- und Erinnerungsarbeit ist wichtig, weil man ja ab jetzt erst mal wieder auf der Alltagsebene weiter leben muss (bis zum nächsten Trip). Und wenn man das Triperlebnis für den Alltag fruchtbar machen will, muss es übersetzt und erinnert werden, um letztlich dann ins eigene System integriert werden zu können.

Verorten
Eine weitere wichtige Integrationstechnik ist das „verorten“ wie Friederike Meckel-Fischer das in ihrem Buch „Therapie mit Substanz“ nennt. (Das Buch ist übrigens das absolute (deutschsprachige) Standardwerk für alle, die sich für die therapeutischen Möglichkeiten von Psychedelika interessieren.)

Ich habe das Verorten auf einem anderen Weg gelernt: durch das „Focusing“ von Eugene Gendlin. (Buchtipp: Ann Weiser Cornell: Focusing – der Stimme des Körpers folgen).
Achtung: dies ist kein Buch über Drogenerfahrungen oder Integration von psychedelischen Trips! Es ist ein Buch über körperorientierte Psychotherapie. Aber man kann diese im Buch beschriebene Methode ja auch auf andere Bereiche anwenden, z.B. um Triperfahrungen besser ins Hier und Jetzt mitzunehmen. Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Büchern über Focusing, aber ich finde das oben genannte am klarsten und eingängigsten.
Hier zwei Internetseiten zu Focusing:
http://www.focusing.org/newcomers.htm
https://de.wikipedia.org/wiki/Focusing

Diese Focusing-Methode schließt genau die Lücke, die kk84 so treffend beschrieben hat: man hat einen roten Punkt auf ein Blatt Papier gemalt und kann sich später aber nicht mehr an den Geschmack von Kirschen erinnern. Der rote Punkt hilft einem da nicht weiter, aber Körpererinnerung kann einem da helfen. Ausführliche Anleitung wie gesagt im Buch von Ann Weiser Cornell, hier meine Kurzfassung:

Wenn das Protokoll geschrieben ist oder das Bild gemalt ist, nehme ich mir das zentrale Gefühl, das ich erlebt habe, vor und frage mich: „Wo im Körper spüre ich das?“ und „Wie fühlt sich das im Körper an?“ Das kann dann z.B. ein Kribbeln im Bauch sein, oder eine Streckung im Rücken oder ein Gefühl der Fülle beim Einatmen oder ein befreiendes Loslassen beim Ausatmen oder eine nie zuvor erlebte Weite im Bereich der Schultern oder was auch immer. Wichtig ist, diesem Körpergefühl einen Namen zu geben und sich immer wieder daran zu erinnern. Immer wieder in den nächsten Tagen und Wochen in dieses Körpergefühl bewusst reinzugehen, sich es immer wieder ranzuholen.

Musik
Und eine sehr einfache und auch sehr effektive Art des Erinnerns ist ganz simpel die Musik noch mal zu hören, die man während des Trips gehört hat. Da kommen auch oft noch mal die Bilder und Gefühle hoch. (Aus diesem Grund sollte man Trip-Musik tunlichst auch nicht beim Autofahren hören. Es könnte einen buchstäblich aus der Kurve tragen….)

Akzeptanz
Vor allem bei schwierigen Trips gilt natürlich was kk84 geschrieben hat: „nicht dagegen ankämpfen, sondern es zulassen, bis zum allerletzten“. Goldene Grundregel für alle psychedelischen (und auch sonstigen) Erfahrungen: Widerstand, Abwehr macht Horrortrip. Akzeptieren so wie es ist, sich drauf einlassen es annehmen, auch wenn es die größte Scheiße ist, das ist die Lösung. Annahme, ein vorbehaltloses Annehmen dessen, was sich gezeigt hat. Kein Widerstand, keine Abwehr, keine Bewertung. Das ist die Akzeptanz, die absolut notwendig ist, um schwierige Erfahrungen zu integrieren.

Auch hier kann man noch einen Schritt weiter gehen mit der Technik des Vergebens, was heutzutage unter „Ho´oponopono“ vermarktet wird. (Buchtipp: Ulrich Dupree: Das Wunder der Vergebung. Ho´oponopono, das hawaiianische Ritual für inneren Frieden) Gerade wenn es alte Scheiße aus der Kindheit ist, oder frühere Inkarnationen oder was auch immer an alten belastenden Erlebnissen: allen Beteiligten vergeben, sich selber am meisten. Das Buch von Ulrich Dupree zeigt sehr schön die einzelnen Schritte, wie das möglich ist.

Atemsitzung/Quantum Light Breath
Eine weitere wichtige Technik zur Integration oder auch zur Nachbearbeitung von schwierigen psychedelischen Erfahrungen ist das Atmen, die Atemsitzung. Das klassische Holotrope Atmen, wie es von Stan Grof entwickelt wurde, ist mir mit seinen drei Stunden oft zu lang. Ich bevorzuge den Quantum Light Breath, der von Jeru Kabbal entwickelt wurde. Da gibt es CDs, die eine Stunde dauern. Man legt die CD ein, atmet mit (geile Musik gibt es auch dazu) und eine gesprochene Anleitung, die einen den Prozess über begleitet. Man kann diesen QLB alleine machen, also ohne Zusammenhang zu einer psychedelischen Erfahrung, das ist auch oft ziemlich tiefgründig, was sich da zeigt. Aber wirklich klasse ist dieser QLB am nächsten Tag nach einer psychedelischen Reise, gerade wenn sich schwierige Themen gezeigt haben, die noch nicht „rund“ sind. Durch das Atmen kann man noch mal in den Erfahrungsraum eintauchen, man kommt da noch mal ran, an das, was sich gezeigt hat. Wenn die „Gestalt“ noch nicht abgeschlossen wurde beim psychedelischen Trip, dann kann man das in Nachhinein beim Atmen machen. Und das schöne beim Atmen ist: man kann jederzeit aufhören. Wenn es einem zu viel wird, wenn es einen überwältigt, atmet man einfach wieder normal und kommt schnell wieder auf der Alltagsebene an. QLB als Nachbearbeitung kann ich wirklich sehr empfehlen.


Tripdeutung
Es ist hier im Forum auch schon die Frage aufgetaucht, ob es ein gutes Nachschlagewerk / Internetseite gibt, welches sich mit Deutungen Psychedelischer Erfahrungen befasst? Ähnlich Traumdeutungen?

Ich misstraue allen offiziellen, allgemeingültigen Traumdeutungen, da ich der Meinung bin, Träume (und auch Trips) sind individuelle Botschaften meines Unterbewusstseins an mich persönlich, und das kann ich nur selber deuten, das kann mir kein anderer abnehmen. Da gibt es keine allgemeingültigen Deutungs-Schemata, die für jeden passen, Traumdeutung von der Stange sozusagen. Daher mache ich meine Traumdeutungen und Entschlüsselung von unverständlichen Triperfahrungen auch mit Hilfe von Focusing, eben jener von mir favorisierten Körpertherapie. Zur Traumdeutung mit Hilfe von Focusing gibt es eine hervorragendes Buch, das sich meiner Meinung nach ebenso hervorragend zur Trip-Interpretation eignet: Dein Körper - dein Traumdeuter von Eugene Gendlin


„Weltraumtrips“
So, das waren meine Intergrationstipps zu den „Seelentrips“. Bei den sogenannten „Weltraumtrips“, die einen völlig weit rausgetragen haben, sieht das anders aus. Das sind dann z.B. Durchbruchserfahrungen mit N,N-DMT (was ich noch nicht aus eigener Erfahrung kenne) oder 5-MeO-DMT (was ich bereits erlebt habe) oder auch hoch dosierte Pilz- oder LSD-Trips, die einen in Bereiche führen, die so weit weg sind von der normalen Alltagsrealität und dem Fassungsvermögen des Verstandes (der ja auf Alltagslevel programmiert ist), dass es nahezu unmöglich erscheint, diese Triperlebnisse irgendwie im Nachhinein zu fassen zu kriegen und integrieren zu können.

Was mir da gut hilft, ist wiederum die Körpererinnerung. Das ist eine Technik, die in unserer verstandesorientierten Gesellschaft kaum gepflegt wird. Höchstens Sportler und Musiker kennen sich damit aus. Diese Körpererinnerung wird sehr gut in dem oben genannten Buch über Focusing von Ann Weiser Cornell beschrieben.

Beispiel 5-MeO-DMT
Ich möchte als Beispiel mal meine erste 5-MeO-DMT-Erfahrung nehmen. Ich saß auf meinem Bett, atmete langsam den Dampf aus dem Vaporizer ein, hielt die Luft drin so lange es ging, ließ mich nach hinten aufs Bett fallen und kann mich dann nur noch an das Ausatmen erinnern und dass mit dem Ausatem alles verschwand. Wusch – nur noch weißes Licht. Die totale Auflösung von allem. Irgendwann (die anderen sagten mir später, es sei nach 10 Minuten gewesen, für mich waren es Millionen von Jahren) kam ich wieder in meinem Körper, in meinem Zimmer an, völlig fassungslos staunend – was war das denn??? Ich schaute im Raum umher, alles war wie mit einem Glanz überzogen, fühlte völlig verwundert meinen Körper, bewegte vorsichtig ein paar Finger, atmete tief und weit – und war sprachlos. Allmählich konnte ich mich etwas aufrappeln und aus den tiefsten Tiefen meiner Kehle kam ein „Aaaargh“ und dann ein „Wow!“ Und dann musste ich lachen, ein kosmisches Gelächter über diesen kosmischen Witz, den wir „die Realität“ nennen. Ich schüttete mich vor Lachen aus, sagte immer wieder „Ach du Scheiße!“, konnte es einfach nicht fassen.

Wie integriert man so eine Erfahrung? Worte sind da völlig hilflos. Da war einfach nichts, was sich mit Worten beschreiben ließe, da war nur NICHTS. Und dieses NICHTS war ALLES. Reines kosmisches Bewusstsein. Aber was heißt das schon? Wörter sind an dieser Stelle nur dürre Worthülsen, die das Erleben nicht im geringsten fassen können. Und malen ließ sich auch nichts. Weißes Licht kann man nicht malen.

Körpererinnerung
Und hier kommt jetzt die Körpererinnerung ins Spiel. Den völlig hilflos herumeiernden Verstand erst mal in Urlaub schicken, der hat hier erst mal nichts zu tun, der kann hier ohnehin nicht weiter helfen. Und sehr fein, sehr achtsam in den Körper hinein spüren, was sich verändert hat. Was fühlt sich jetzt anders an als vorher?

In meinem 5-MeO-Beispiel war das nicht schwierig: der ganze Körper fühlte sich völlig neu getunt an. Ich fühlte ein nie gekanntes lebendiges Strömen und Pulsieren im ganzen Körper, der Kopf fühlte sich ziemlich matt und benommen an, die Brust, der Atemraum war völlig frei und offen, ich konnte so tief und frei atmen wie noch nie in meinem Leben; der Rücken, die Wirbelsäule fühlte sich wie neu aufgerichtet an und die Schultern, die gewohnheitsgemäß bei mir immer nach vorne hingen, waren weit nach hinten gestreckt und unterstützten das Gefühl dieser neuen Aufrichtung.

Bei dieser Fülle von erlebten Veränderungen war es dann wichtig, das zentrale Gefühl herauszukristallisieren. Das dauert manchmal eine Weile. Bei mir war es eindeutig das freie Gefühl in der Brust. (Es gibt auch manchmal „Weltraumtrips“, wo die körperlichen Veränderungen nicht so klar und deutlich spürbar sind wie in meinem Beispiel. Da muss man dann feiner nachlauschen und reinspüren, was sich verändert hat, bis sich das neue Körpergefühl identifizieren lässt.)

Nachdem dieses zentrale Gefühl herauskristallisiert ist, gilt es, sich genau damit zu verbinden und ihm einen Namen zu geben. (Ganz ohne Worte geht es nicht. ;-) ) Bei mir war das Wort dann „Licht-Explosion“. Es ist egal, was für ein Wort man wählt, es kann sich auch völlig dämlich anhören, oder völlig banal, Hauptsache es „stimmt“. Es muss so genau wie möglich das Körpergefühl benennen. Also vergleicht man das gefundene Wort (in meinem Fall „Licht-Explosion“) noch mal mit dem Körpergefühl: stimmt das Wort, oder gibt es ein anderes Wort, das besser passt? Bei mir tauchte dann das Wort „Stern“ auf (womit der Verstand gar nichts anfangen konnte, aber das macht nichts. Es ist wichtig, dass das Wort „stimmt“.)

Dieses Schlüsselwort wird im Focusing verglichen mit einem Griff, an dem man einen Koffer hochheben kann. (Und ein Weltraumtrip ist ein ziemlicher Koffer!) Das Wort muss also nicht die gesamte Erfahrung (den ganzen Koffer) umfassend beschreiben, sondern lediglich einen Teilaspekt (den Griff) so genau wie möglich fassen.

Verankern
Und jetzt schließt man die Augen, nimmt das Wort und das Körpergefühl und spürt noch mal ganz genau rein, verbindet das Wort mit dem Körpergefühl, verankert Wort und Gefühl in dieser Körperregion. Mindestens 10 Atemzüge lang. Das ist dann der Anker für die Erinnerung. Und die Erinnerung ist der Hauptschlüssel für die Integration. Er-innerung, im Sinne von Ver-innerlichung.

Diese mit dem Schlüsselwort verbundene Körpererinnerung in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder zu erinnern, das ist das entscheidende. Immer wieder. Morgens beim Zähneputzen, beim Warten an der roten Ampel, beim Warten an der Kasse im Supermarkt, beim Spaziergang mit dem Hund, abends beim Einschlafen im Bett, bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Sich an das Wort erinnern, das Körpergefühl aufrufen und beides noch mal ganz genau spüren.

Das Körpergefühl verblasst natürlich im Laufe der Zeit, und das Wort hängt irgendwann wieder mehr oder weniger leer in der Luft rum. Dann ist es wichtig, so zu tun „als ob“. Wie würde es sich anfühlen, wenn das Gefühl wieder da wäre? Mit dieser Technik kann man das Gefühl erstaunlich lange ranholen – und integrieren.

Focusing, das Trainieren der Körpererinnerung ist nicht einfach. Man braucht Übung dafür. So wie man auch Cello spielen üben muss, oder Schlittschuh-Laufen. Man kann sich nicht einfach die Schlittschuhe unterschnallen und loslaufen. Am Anfang stellt man sich in der Regel ziemlich unbeholfen an. Es gibt natürlich auch Naturtalente. So ist es beim Focusing auch.

Wenn man etwas geübt ist, kann man natürlich auch zwei oder drei (oder zehn oder zwölf) Schlüsselmomente des Trips mit Hilfe der Körpererinnerung verankern.

Schluss
Focusing ist genau wie Meditation ein Tool, das jeder Psychonaut in seinem Werkzeugkoffer haben sollte. Beides hilft bei der Bewältigung von psychedelischen Erfahrungen enorm.

So, ich hoffe, das war jetzt nicht zu viel „Klugscheißer-Modus“ auf einmal ;-)
Ich freue mich von euch zu hören, wie ihr mit Integration umgeht :-)

Und bitte nicht bloß: „Vielen Dank, echt klasse“ oder so.
Ich würde mich freuen, wenn ihr eurerseits mal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern würdet... Gespräch ist mir wichtiger als Applaus :-)
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kleinerkiffer84
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Re: Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

Beitrag von kleinerkiffer84 »

Genialer Thread, mit einem Thema welches ich als absolut wichtig erachte! :good:
Ich bin gerade zu fertig um mir alles genau durchzudenken, aber was ich nach erstem Überfliegen noch als Punkt anmerken kann, ist etwas zu 5-MeO-DMT.
Eine Form der Integration von 5-MeO-DMT kann sein, dass man diese Energie, die bei diesem weissen WWAAAAASHHHHHH freigesetzt wird, sich auch im Alltag so gut es geht behält,
dh. man nutzt einerseits die 5-MeO Energie für die eigene Feinfühligkeit, die einem sagt, was für das Energielevel förderlich ist und gleichzeitig hält man damit diese 5-MeO Energie auch im Alltag so gut es geht präsent.
Sozusagen ein psychedelisches Perpetuum Mobile. Ich zum Beispiel achte sehr viel mehr auf eine vollwertige und gesunde Ernährung, seit meinem 1. Trip mit 5-MeO-DMT.

Über deine genannten Punkte muss ich nochmal in Ruhe unter verschiedenen Bewusstseinszuständen nachdenken.
Ausgesetzt in der Salviawelt, bei mir habe ich nur meine Bong und ein Feuerzeug. Entitäten werden mich begleiten. Ich zeige Ihnen, wie man hier überlebt!
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Glückspilz
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Re: Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

Beitrag von Glückspilz »

Das mit dem psychedelischen Perpetuum mobile gefällt mir :good:
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Zebra
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Re: Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

Beitrag von Zebra »

Da das Verankern erwähnt wurde…

Der Begriff „Ankern“ ist mir aus dem NLP bekannt.

Man kann, wie weiter oben schon erwähnt, einen Gefühlszustand, durch Musik oder Töne wie zum Beispiel den einer Klangschale, ankern, um diesen in die Alltagswelt besser hinüberzunehmen.
Es gibt aber auch andere Anker wie olfaktorische, beispielsweise löst der Geruch von Tollkirsche bei mir eine Erinnerung an meine frühe Kindheit aus und erinnert mich dabei an „Pflaster“.

Man könnte also einen positiven Gefühlszustand/Erfahrung vielleicht besser ankern und in die Alltagswelt mitnehmen, wenn man vielleicht schon, wie oben beschrieben, in der Erfahrung Musik verwendet und räuchert beispielsweise, und nach der psychedelischen Erfahrung, um nochmals einzutauchen sich Zeit nimmt um mit Musik und Räuchern den positiven Gefühlszustand nochmals hervorzurufen und durchzuarbeiten.

Für das Installieren eines Ankers kann man sich nochmals mit allen Sinnen in die Erfahrung begeben.
Hat man den gewünschten Zustand erreicht, kann man dieses Gefühl/Erinnerung/Erfahrung auch kinästhetisch ankern, indem man eine Körperstelle berührt.
Das hört sich einfach an, man muss aber präzise arbeiten und auch das richtige Timing beim Installieren des Ankers scheint wichtig zu sein.
Wenn man alles richtig gemacht hat, sollte nach dem Modell des NLP, der positive Zustand/Gefühl durch Berühren der gewählten Körperstelle wieder abrufbar sein.

Es gibt Bücher die genauer beschreiben, wie es funktioniert, aber gut demonstriert wurde es zum Beispiel im Meta Master Practitioner Video von Chris Mulzer.
Vielleicht war es auch der Volkspractitioner, ich weiss es nicht mehr, ist bestimmt schon über 10 Jahre her.
Wer sich generell für NLP interessiert, kann ja einen Blick in „Therapie in Trance“ (von Bandler und Grinder) werfen, welches ein Transkript eines Workshops ist.

Interessant wäre das Experimentieren damit in Kombination mit dem Focusing, was ich bis dato noch nicht gekannt habe.
Auch der Quantum Light Breath hört sich sehr interessant an.

Schade, dass dieser Anstoss erst jetzt kommt, wo ich wegen persönlicher Gründe von Psychedelika Abstand genommen habe, obwohl mich diese immer noch brennend interessieren.
Früher habe ich eigentlich nur vom Bericht Schreiben gebraucht gemacht und hatte eigentlich gar keine so ausgefeilte Technik wie oben von Glückspilz beschrieben.
Malen kam für mich nicht in Frage, da ich dabei oft blockiert bin, beim Schreiben schien es eher zu fliessen.

Das war nur meine Assoziation zum Thema "Verankern".
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Glückspilz
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Re: Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

Beitrag von Glückspilz »

Zebra hat geschrieben: Hat man den gewünschten Zustand erreicht, kann man dieses Gefühl/Erinnerung/Erfahrung auch kinästhetisch ankern, indem man eine Körperstelle berührt.
Das hört sich einfach an, man muss aber präzise arbeiten und auch das richtige Timing beim Installieren des Ankers scheint wichtig zu sein.
Wenn man alles richtig gemacht hat, sollte nach dem Modell des NLP, der positive Zustand/Gefühl durch Berühren der gewählten Körperstelle wieder abrufbar sein.
Genial! Das probiere ich aus!

Mit NLP kenne ich mich nicht so aus. Da werde ich mich mal dahinter klemmen...
Hast du ein Buchtipp dazu?
:hallo:
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Zebra
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Re: Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

Beitrag von Zebra »

Ein Buch welches sich nur mit dem Ankern befasst ist mir leider nicht bekannt, und muss sagen, ich bin auch kein Experte was NLP angeht.
In "Therapie in Trance" wird, soweit ich mich erinnern kann, das Ankern angeschnitten.
In "Neue Wege der Kurzzeit-Therapie" (von Bandler und Grinder) wird das Ankern auch nur anhand eines Beispiels illustriert.
Geht es eher um eine kurze Anleitung, könnte man sich vielleicht "Der Zauberlehrling" von Alexa Mohl einmal ansehen.
Die Beschreibung ist sehr knapp, aber man bekommt einen Eindruck worum es geht.

NLP nur aus Büchern zu lernen finde ich irgendwie schwer schaffbar, interessant fand ich da die Practitioner Videos von Chris Mulzer.
Noch besser wäre es an einem Seminar in Person teilzunehmen, da man auch gleich Versuchskarnickel hat, an denen man verschiedenes ausprobieren kann, um zu lernen.
Hätte ich genügend Finanzen zur Verfügung hätte ich das wohl gemacht.
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kleinerkiffer84
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Re: Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

Beitrag von kleinerkiffer84 »

Zum Punkt "Schreiben von Berichten" ist mir heute ein interessanter Denkansatz gekommen.
Nämlich: Der wahre Grund, warum es derartig schwierig ist, eine psychedelische Erfahrung in adäquate Worte zu verpacken, könnte weitaus trivialer und naheliegender sein, als man denken würde.
Es scheint so zu sein, dass einem bei einem Tripbericht deshalb oft die Worte fehlen, weil wir im Alltag einen inflationären Umgang mit Worten haben. Mir fällt das besonders auf, wenn ich Posts auf facebook lese,
hier werden eigentlich unangemessene Worte viel zu leichtfertig verwendet. Alles ist immer gleich "mega" und "unbeschreiblich".
Ja, wenn so banale Dinge schon mit derart gewichtenden Worten beschrieben werden, was bitte ist dann erst eine Durchbruchserfahrung mit 5-MeO-DMT? :m037:
Klar, dass hier dann das Vokabular erschöpft ist. Man entwickelt sozusagen eine Toleranz gegen Kraftausdrücke.
Ausgesetzt in der Salviawelt, bei mir habe ich nur meine Bong und ein Feuerzeug. Entitäten werden mich begleiten. Ich zeige Ihnen, wie man hier überlebt!
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Leuchtkugel
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Re: Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

Beitrag von Leuchtkugel »

@kleinerkiffer84
Die Wahrnehmung von jedem Menschen ist unterschiedlich.
Für manche sind es vielleicht gerade die Dinge die für dich trivial wirken, die anderen ihr Leben erfüllen.
Und wenn es nur die Erdbeermilch für ein Kind am frühen morgen ist.
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Herr von Böde
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Re: Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

Beitrag von Herr von Böde »

Möchte hier jetzt auch mal etwas dazu schreiben.

Mein übliches Hernagehen ist das "verspühren eines Rufes" (nein ich höre keine Stimmen :) ).

Meistens nehme ich also ziemlich unplanmäßig , ja unmotiviert Psychedelica - bisher meistens Pilze - ein.
Manchmal mit bis zu einer Woche Vorbereitung, das hängt sehr davon ab "wie ich den Ruf verspüre".
Manchmal weiss ich nächste Woche Sonntag steht eine Reise an und bereite ich mich wirklich vor.
Suche passende Musik raus oder gar eine passende bildgewaltige Naturdoku die ich noch nicht kenne, auf die ich mich dann freue zum "hochfahren".
Einen Tag Vorwissen habe ich fast immer (manchmal ist es nur eine wirkliche Vorahnung, dann habe ich Abends keinen Hunger und denke noch gar nicht ans Reisen und weiss dann morgens das ich gleich reisen werde und warum ich keinen Hunger hatte), das ist auch gut so weil mir - aus irgendwelchen Gründen - möglichst ausgibiges Fasten direkt vorher sehr wichtig ist..

Aber es soll ja um die Integration gehen und hier fehlen mir in der Aufzählung zwei , drei mit echt wichtige Punkte.

1. ich finde die möglichst detaillierte Erinnerung überschätzt, mir ist immer ganz das "Wesentliche" der Erfahrung wichtig, was hat die Erfahrung ausgemacht? Die Detaills finde ich meist ziemlich unwichtig - es sei denn sie waren so wichtig das ich sie eh nicht vergesse.
Also Bewusstwerdung über das allgemeine Wesen der Erfahrung. Schön und Horrormäßig ist mir da zu unspezifisch. Was hat die Schönheit oder den Horror ausgemacht (unabhängig von den Detaills)?

2. neben der Erinnerung und der Akzeptanz scheint mir auch eine innere Distanz die die Nüchternheit ja ausmachen sollte und bereitstellen kann ganz wichtig.
Hatte ich das erfahrungsausmachnede (wesentliche) Gefühl von Scham und Nacktheit muss ich mich davon distanzieren und vielleicht gar einsehen können das ich viel mehr Schamlosigkeit und "Nacktheit" (zunächst lieber mal im übertragenen Sinne ;-) ) wagen kann, vielleicht wagen sollte.
Das dauert manchmal und manchmal muss es erst mit Geduld so stehen bleiben.
(Das ist auch ein BSP. für eine frühe aber in Nuancen verändert immer wiederkehrende Erfahrung die ich lange nicht vertanden habe - naja, nicht verstehen wollte ;-) - grade wegen der magelnden Distanz und der unbewussten Identifikation mit der Scham und der sich logisch daraus ergebenden notwendigen Konsequenzen = Mut aufbringen ).
Ich bin noch immer nicht durch damit, weil ich die letzte konsequentz noch nicht gegangen bin.
ZB. mit unterschiedlichen Socken in Sandaklen durch die Stadt, mit auf links gedrehtem T-Shirt, die Konsequentz wäre mein Selbstbild durch solche Übungen unabhängig von Blicken der andern - mir doch ganz fremden -zu machen.
Aber ich schreibe schon davon und ein bisschen was hab ich schon durch, viel nur niemandem auf ^^

3. Akzeptanz, ja erstmal. Aber zB. eine unschöne Erfahrung dauerhhaft unangetastet und unverarbeit nur akzeptiert zu wissen würde mich glaube ich nicht befriedigen.
Da würde immer etwas offen bleiben. Akzeptanz also um es "reifen zu lassen". Nicht um damit abschliessen zu können.
Allerdings habe ich auch nie die erlebt das eine erfahrung die erstmal so stehen lassen und akzeptieren musste nicht doch - na verstanden ist vielleicht zuviel gesagt - aber befriedigend interpretiert werden konnte.
Das kommt mit der zeit von selbst.
Meine ersten Erfahrungen als Teenager haben teilweise Jahre gebraucht um verarbeitet zu werden, irgendwann war alles ganz klar.
Also statt Akzeptanz wäre Geduld vielleicht ein besserer Begriff.
-------------------

"Life Begins At The End Of Your Comfort Zone!"


https://de.wikipedia.org/wiki/Moralische_Kompetenz
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Glückspilz
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Re: Die Integration von psychedelischen Erfahrungen

Beitrag von Glückspilz »

Wow, danke für deine Ergänzungen. Das ist eine echte Bereicherung.

Danke! :)
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