Seit syzygy die Frage zu Belegen einer geschichtlichen Nutzung des SKKK in einem anderen Thread
https://www.entheobotanik.net/viewtopic ... 115#p30115
aufbrachte hat mich die Frage elektrisiert und natürlich war ich in der Zwischenzeit nicht untätig was Recherche dazu angeht.
chronic hat geschrieben:
Sergius Golowin hat in seinen Werken den Gebrauch beim fahrenden Volk und den Hirten im Alpenraum, genauer in den Schweizer Alpen, erwähnt. Leider habe ich grade keine Quellen die ich anführen kann.
Mit eine der ersten Fragen die ich mir gestellt habe war, hat A. Hoffmann seine Information zum alpenländischen Gebrauch der spitzkegeligen Kahlköpfe und letztlich seine ersten Exemplare die er erfolgreich auf Psilocybin untersuchte, von ihm, Golowin bekommen? Eine wie ich finde nicht ganz unwichtige Information die uns in der mittlerweile zig zitierten Aussage fehlt. Leider sind Golowins Werke mittlerweile etwas schwer zu bekommen so das diese Frage vorerst ungeklärt bleibt. Eins seiner Werke, Zigeuner - Magie Im Alpenland, habe ich gebraucht erstanden und erhoffe mir darin wenigstens einen erhellenden Satz zum SKKK zu finden. Leider ist das Buch noch nicht bei mir, so dass ich noch etwas warten muss ob sich darin was brauchbares findet.
Geht man weiter zurück in der Geschichte scheint die Existenz semilanceatas erst im jung herauf ziehenden 19. Jahrhundert mit besagter Familie zu beginnen die unfreiwillig vom Familienoberhaupt auf einen Trip geschickt wurde. Das ist auch die Zeit in der man sich näher mit der Systematik der umgebenden Flora und Fauna in der Zeit nach Linné beschäftigte und Ärzte ihre Tätigkeiten schriftlich fest hielten.
Um es mir einfacher zu machen und weil es schon gut zusammen gefasst wurde zitiere ich neben eigenen Worten im Folgenden einfach mal auf Deutsch, übersetzt aus dem englischen:
Die Europäer haben vielleicht schon vor 6000 Jahren magische Pilze benutzt, um religiöse Rituale zu beleben. So suggeriert es ein Höhlenwandbild in Spanien, das potentiell Pilze mit halluzinogenen Eigenschaften darstellt - der älteste Beweis für ihre Verwendung in Europa.
Höhlenkunst mit Pilzen.png
Das Wandbild von Selva Pascuala, in einer Höhle in der Nähe der Stadt Villar del Humo, wird von einem Stier dominiert. Aber es ist eine Reihe von 13 kleinen pilzartigen Objekten, die Brian Akers am Pasco-Hernando Community College in New Port Richey, Florida, und Gaston Guzman am Ecological Institute of Xalapa in Mexiko interessieren. Sie glauben, dass die Objekte sind die Pilze Psilocybe hispanica, eine lokale Art mit halluzinogenen Eigenschaften.
Wie die im Wandbild dargestellten Objekte hat P. hispanica eine glockenförmige Kappe, die mit einer Kuppel bedeckt ist, und es fehlt ein Ring - ein Ring um den Stiel. "Seine Stängel variieren ebenfalls von gerade bis gewunden, wie im Wandbild", sagt Akers (Economic Botany, DOI: 10.1007/s12231-011-9152-5).
Dies ist jedoch nicht das älteste prähistorische Gemälde, das magische Pilze darstellen soll. Ein algerisches Wandbild, das vermutlich die Art Psilocybe mairei zeigt, ist 7000 bis 9000 Jahre alt. 1)
Die ältesten Beispiele für die wahrscheinliche Verwendung von Pilzen, wenn auch nicht vollständig, finden sich in einem Wandbild in Tassili, in der Sahara, im südöstlichen Algerien. In diesem Wandgemälde, das zwischen 7000 und 9000 v. Chr. entstanden ist, sind sowohl Pilze als auch anthropomorphe Figuren mit Pilzen vertreten. Was die Art von Pilz betrifft, haben einige Autoren spekuliert, dass es Psilocybe mairei ist , eine bekannte Art aus Algerien und Marokko. Andere bezweifeln jedoch die Echtheit dieser Gemälde. 2)
Auf Bilder habe ich verzichtet weil die Art der Darstellungen den meisten wohl bekannt sein sollte. Neben den mesoamerikanischen Pilzsteinen und anderen gestalterischen Formen in der neuen Welt sind dies die bekanntesten Motive wirklich alter pilzlicher Kunst.
Laut Giorgio Samorini sind "Spitzkegelige Kahlköpfe" die häufigsten psychedelischen Pilze in Italien. Man nimmt an, dass sie dort seit 10000 bis 12000 Jahren heimisch sind. In Norditalien (Monte Bego, Valcamonica) gibt es verschiedene spätneolithische Felsbilder, die Darstellungen von Pilzen in schamanischen Zusammenhängen zeigen. Der Spitzkegelige Kahlkopf wurde wahrscheinlich im ausgehenden Mittelalter in Spanien von Frauen, die als Hexen angeklagt wurden, als visionäres Rauschmittel genutzt. Leider fanden sich keine Internet Seiten die Pilze, gar SKKK, als vorherschendes Motiv hatten. Sollte jemand ein Bild davon finden würde ich mich freuen wenn es an mich weiter geleitet wird.
Persephone und Demeter.png
Pilzstein von Delphi Christian Rätsch aus der Enzyklopädie.png
Rätsch schreibt in seiner Enzyklopädie dazu:
Der alte "Pilzstein" von Delphi sieht wie eine naturalistische Darstellung einer Psilocybe semilanceata Kappe aus. Klassische Archäologen haben ihn jedoch als ein Modell des Omphalos , des "Nabels der Welt", interpretiert. Es macht Sinn, dass der Nabel der Welt in der Kappe eines psychedelischen Pilzes gesucht werden sollte.
Die nächste Abbildung stammt aus der Abtei von Montecassino um 1072 und zeigt einen vermeintlich großen Pilz, ähnlich einem SKKK, der von einer einzigen Schlange, dem Stab des Asklepios, Heilung und einer Alraunpflanze umgeben ist, die wiederum den Garten Eden darstellt.
Abbildung aus der Abtei von Montecassino.png
Bekanntestes Beispiel aus dem deutschen Sprachraum ist die gegossene Eingangstür des Hildesheimer Dom aus der gleichen Zeit im 11ten Jahrhundert
fullsize_Hildesheim_Dom3_11.jpg
Rätsch schreibt. Diese halbplastische Darstellung vom Sündenfall am Baum der Erkenntnis auf einer Kirchentür von Hildesheim (Bernwardstür, um 1015) hat viele Ethnomykologen heftig erregt. Sie sehen in der Darstellung des Baums der Erkenntnis ein Abbild der Zauberpilze. Kunsthistoriker verneinen diese Interpretation, weil es sich um typisch mittelalterliche Baumdarstellungen handelt.
Christian Rätsch, Pilze und Menschen, AT Verlag, Seite 137
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass diese stilisierte Mittelalterliche Darstellung eines Baums durchaus ihren Ursprung in Pilzen haben könnte. Grade im sakralen Bereich liegt es nahe das ältere, noch nicht so lange zurück liegende, heidnische Motive in die darstellende Kunst eingeflossen sind.
Obwohl in Europa Dutzende von Arten von psychedelischen Pilzen gefunden werden, gibt es in der Geschichte der Alten Welt wenig dokumentierte Verwendung dieser Arten. Die wenigen vorhandenen historischen Berichte über Psilocybin-Pilze sind in der Regel nicht ausreichend, um Arten zu identifizieren, und beziehen sich in der Regel auf die Art ihrer Auswirkungen. So beschrieb der flämische Botaniker Carolus Clusius (1526-1609) die Bolond Gomba (verrückter Pilz), die im ländlichen Ungarn zur Herstellung von Liebestränken verwendet wurde. Der englische Botaniker John Parkinson hat in seinem 1640er Herbal Theatricum Botanicum Details über einen "dummen Pilz" aufgenommen. Der erste zuverlässig dokumentierte Bericht über die Vergiftung mit Psilocybe semilanceata-Europas häufigstem und am weitesten verbreitetem psychedelischen Pilz - eine britische Familie, die 1799 eine Mahlzeit mit Pilzen zubereitete, die sie im Londoner Green Park" gepflückt hatten. 2)
Die Art wurde zuerst von Elias Magnus Fries als Agaricus semilanceatus in seiner Epicrisis Systematis Mycologici 1838 beschrieben. [3] Paul Kummer übertrug es 1871 an Psilocybe, als er viele von Fries 'Untergruppen von Agaricus auf das Niveau der Gattung erhob
Der erste zuverlässig dokumentierte Bericht über die Vergiftung von Psilocybe semilanceata betraf 1799 eine britische Familie, die eine Mahlzeit mit Pilzen zubereitete, die sie im Londoner Green Park gepflückt hatten. Laut dem Chemiker Augustus Everard Brande erlitten der Vater und seine vier Kinder typische Symptome, die mit der Einnahme verbunden sind, einschließlich Pupillenerweiterung , spontanem Lachen und Delirium. (Anmerkung von mir: Hierunter ist wohl nicht ein klassisches medizinisches Delirium sondern vielmehr die alte Bezeichnung für Irre sein zu verstehen) Die Identifizierung der verantwortlichen Spezies wurde durch James Sowerbys Buch Coloured Figures of English Fungi or Mushrooms aus dem Jahr 1803 ermöglicht, das eine Beschreibung des Pilzes enthielt, damals bekannt als Agaricus glutinosus (ursprünglich von Moses Ashley Curtis beschrieben) 1780). Laut dem deutschen Mykologen Jochen Gartz ist die Beschreibung der Art "mit dem derzeitigen Wissen über Psilocybe semilanceata völlig kompatibel". 3)
In Magic Mushrooms Around the World: A Scientific Journey Across Cultures and Time - The Case for Challenging Research and Value Systems von Jochen Gartz findet sich auf Seite 16.
Um 1900 meldete M. C. Cooke zwei oder drei neue Fälle von zufälliger Pilzvergiftung von Kindern in England. Interessanterweise stellte Cooke fest, dass die Symptome nur durch eine Vielzahl von Pilzen verursacht wurden.
M. C. Cooke war der erste Mykologe, der sich fragte ob diese bläuenden Pilze giftig waren, oder ob die bläuliche Farbe durch äußere Einflüsse hervorgerufen wurde, was zu Veränderungen der chemischen Zusammensetzung führte die sie giftig zu machten.
Für mich ist jedoch die folgende Notiz am interessantesten die ich in einem Forum fand:
O.k. das Wissen über den erzählten Gebrauch der Pilze reicht letzten Endes auch nicht viel weiter in die Vergangenheit als ins 19. Jahrhundert doch kann man auf Grund der ländlichen Gegend davon ausgehen das der Gebrauch deutlich älter ist. Vielleicht sogar bis in prähistorische Zeit.
Bullshit - nichts für ungut, aber meine Großmutter war eine Landfrau, Bauernfrau, lebte ihr ganzes Leben im Südwesten Englands und wusste alles über traditionelle Kräuter, Pflanzen und Medikamente, sie erzählte mir, dass Zauberpilze schon sehr lange da waren und konnte sich daran erinnern, dass sie als junges Mädchen benutzt wurde (um 1910) und sich auch daran erinnern konnte, dass ihre Großmutter ihr von ihnen erzählte, so dass sie direkt in unserer Familiengeschichte bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts davon Kenntnis hatte.
In Devon, woher ich ursprünglich mit seinen alten Geschichten von Pixies und Elfen komme, enthalten alle Refeenzen zum Tanzen in Pilzfeldern, von den Sprites und Goblins, die die Cornish Caves, Moore und Zinnminen bewohnten, die alle bis in die Vorgeschichte zurückreichen.
Irland ist auch mit historischen Bezügen zur anderen Welt übersät, die von Kobolden, Elfen, Wichteln und den Geistern unserer toten Vorfahren bewohnt wird.
Die keltische Kunst ist reich an Motiven und Mustern, die unter dem Einfluss von Psilocybin vermutet werden. Auch die Verwendung vieler anderer Entheogene wie Bilsenkraut, Wermut, Beladona ist breit und umfangreich, was auch auf Daten lange vor dem Mittelalter schließen lässt.
Sieh dir die Hexengebräu-Szene von Macbeth an und sag mir, dass das nicht den Gebrauch von psychedelischen Pflanzen nahe legt.
http://www.bluelight.org/vb/threads/658 ... tish-Isles
Zum Schluss noch ein paar Bilder eines Wandgemälde aus einer Kirche im nördlichen Teil von Dänemark. (Udbyneder Kirke) Die Wandmalereien entstanden zwischen 1500 und 1523:
Erstes Bild zeigt Sankt Georg den Drachentöter. Der interessante Teil ist in der unteren linken Ecke.
Auf der rechten Seite ist eine kleine Linde, die ein Symbol der Liebe ist. Die spitzen Dinge auf der linken Seite scheinen P. Semilanceata ziemlich ähnlich zu sein:
Kirche Dänemark.png
Kirche Dänemark 2.png
1)
https://www.newscientist.com/article/mg ... in-europe/
2)
https://www.psycheplants.org/index.php/home/psilocybes/
3)
https://www.faust.com/european-use-of-p ... ocumented/
4)
https://en.wikipedia.org/wiki/Psilocybe_semilanceata